Bundespolizei sichert Abschiebung von Flüchtlingen (Symbolbild)
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Abschiebung von Flüchtlingen (Symbolbild)

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Abschieben trotz Job: Restriktive Flüchtlingspolitik in Bayern

Die Bundesregierung versucht seit Jahren, Menschen aus dem Ausland anzuwerben, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Es ginge allerdings auch einfacher - mit Flüchtlingen, die hier arbeiten. Nach BR-Recherchen schiebt Bayern diese weiterhin ab.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Hunar al Kaki, 34 Jahre alt, stammt aus dem Irak und hat derzeit nur ein Ziel: "Ich wünsche, dass ich in Deutschland bleiben und arbeiten kann. Ich habe mir hier mein Leben aufgebaut." Ende Februar dieses Jahres sind seine Träume vom Leben in Deutschland vorerst zerplatzt. Da bekam der 34-Jährige Post von der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern – mit der Ankündigung seiner Abschiebung und der Aufforderung, freiwillig auszureisen. Die Nachricht trifft ihn vollkommen unerwartet.

Koch des "Haidhauser Augustiners" droht Abschiebung

Al Kaki ist 2018 aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er ist also ausreisepflichtig. Die Abschiebung wurde allerdings vorerst ausgesetzt. Denn bis Mitte vergangenen Jahres galt ein Abschiebestopp in den Irak. Al Kaki bekam eine Duldung. Dennoch hat er sich integriert. Der Iraker hat Deutsch auf dem Niveau A2 gelernt. Das heißt, er kann sich in einfachen Situationen gut verständigen. Er hat eine eigene Wohnung und seit Sommer 2021 arbeitet er als Koch im Wirtshaus "Haidhauser Augustiner" in München. Er hat sich dort von der Küchenhilfe zum Koch hochgearbeitet. Sein Wirt will sich nicht öffentlich äußern, setzt sich aber für ihn ein. Er hat sich an den Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags gewandt.

Hunar al Kaki hat Fuß gefasst in Deutschland. Er arbeitet noch dazu in einer Branche, die dringend Personal sucht. Al Kaki ist kein Einzelfall. Das Bayerische Innenministerium führt zwar nach Angaben einer Sprecherin keine Statistik, wie viele Flüchtlinge in Arbeit abgeschoben werden. Wohlfahrts- und Arbeitgeberverbände sowie Flüchtlingshelfer und Asylrechtsanwälte berichten aber immer wieder von abgelehnten Asylbewerbern, die arbeiten und dennoch abgeschoben werden sollen.

Personalmangel mit Flüchtlingen entgegenwirken?

Warum jemanden wie al Kaki abschieben? Diese Frage kommt sowohl von Arbeitgeberverbänden als auch von Flüchtlingshelfern. Dem Personalmangel in manchen Branchen könnte entgegengewirkt werden, indem Flüchtlinge, die bereits Deutsch sprechen, beschäftigt werden. Das Argument: Das wäre einfacher, als gezielt im Ausland zu werben. Unter der derzeitigen Bundesregierung gab es zwar einen Paradigmenwechsel: Auch abgelehnte Flüchtlinge sollen mit neuen Gesetzen leichter in Arbeit gebracht werden. Trotzdem schiebt Bayern weiterhin geduldete Flüchtlinge ab, die arbeiten, aber nicht bleiben dürfen. Erst im Februar hat die geplante Abschiebung eines Münchner Pflege-Azubis Schlagzeilen gemacht. Nur Stunden vor dem Abflug hat das Innenministerium auf den Protest des Arbeitgebers hin die Abschiebung in den Kongo gestoppt.

Arbeitgeberverbände fordern mehr Sicherheit vor Abschiebungen

Solche Abschiebungen treffen bei Arbeitgeberverbänden auf Unverständnis. Jeder Einzelne zähle, sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Betriebe bräuchten Sicherheit mit Blick auf die Personalplanung und die Kosten, die bei der Anstellung neuer Arbeitskräfte und Auszubildender entstünden. "Daher stellt es die Unternehmen vor Herausforderungen, wenn ihre Beschäftigten kurzfristig abgeschoben und dadurch aus dem betrieblichen Ablauf gerissen werden."

Auch die Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA, Angela Inselkammer, pocht auf klare Regeln: "Wenn jemand hier einen festen Arbeitsplatz und Wohnsitz hat sowie ein Einkommen, sodass er dem Staat nicht auf der Tasche liegt, dann muss er doch auch einfach hierbleiben können."

Widerspruch zum Koalitionsvertrag?

Laut Asylrechtsanwälten stehen Abschiebungen von geduldeten Flüchtlingen, die arbeiten, außerdem im Widerspruch zum Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern in Bayern. Dort steht: "Wir werden auf Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber dann verzichten, wenn ein fester Arbeitsplatz oder ein Ausbildungsvertrag besteht und keine Straftaten oder Gefährdungslagen vorliegen." Wohlfahrts- und Arbeitgeberverbände sowie Flüchtlingshelfer bestätigen aber dem BR: An der Abschiebepraxis von geduldeten Flüchtlingen, die arbeiten, habe sich seit dem Koalitionsvertrag nichts geändert.

Bayern setzt weiter auf Abschreckung statt Integration

Warum wird es Flüchtlingen in Bayern so schwer gemacht, hier Fuß zu fassen? Die Antwort der Grünen Landtagsabgeordneten Gülseren Demirel ist eindeutig: "Es ist sehr deutlich, dass das sehr ideologisch geprägt ist, es den Flüchtlingen so schwer wie möglich zu machen. Nach außen deutlich zu machen: Wir sind nicht zu freundlich bei der Aufnahme."

Außerdem glaubt Demirel, dass die Absichtserklärung im Koalitionsvertrag nicht bis zu den zuständigen Ausländerbehörden durchgedrungen sei. Sie fordert daher eine klare Anweisung vom Bayerischen Innenministerium. Der BR hat dort nachgefragt und von einer Sprecherin in einer schriftlichen Stellungnahme unter anderem folgende Antwort bekommen: "Für abgelehnte Asylbewerber steht regelmäßig die Erfüllung der Ausreisepflicht und – wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen – die Durchsetzung im Wege der Abschiebung im Mittelpunkt." Soll heißen: Die Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen ist in Bayern also weiterhin oberstes Gebot. Daran ändern wohl auch die Aussagen im Koalitionsvertrag nichts, der nicht rechtsverbindlich ist, aber eine klare politische Absichtserklärung der im Freistaat regierenden Parteien darstellt.

Flüchtlinge wichtig für bayerischen Arbeitsmarkt

Welche Bedeutung Flüchtlinge für den bayerischen Arbeitsmarkt haben, hat das Münchner Ifo Institut unter anderem in einer Studie analysiert: Jede zusätzliche Arbeitskraft sei von Belang, so Wissenschaftlerin Yvonne Giesing. "Flüchtlinge arbeiten überproportional in Sektoren, in denen die Deutschen oder andere Ausländer nicht arbeiten wollen." Deswegen seien diese Arbeitskräfte sehr wichtig. Ansonsten wäre der Fachkräftemangel zum Beispiel in Gaststätten-Berufen, im Reinigungssektor oder auf dem Bau noch viel größer, so Giesing.

Bleiberecht bei nachhaltiger Integration

Der irakische Koch Hunar al Kaki vom "Haidhauser Augustiner" will in Deutschland bleiben. Laut dem Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern hat er aber keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel. Mit Hilfe seines Anwalts hat er ein Bleiberecht für Geduldete bei nachhaltiger Integration beantragt. Die Voraussetzung für diesen Aufenthaltstitel erfüllt der Iraker laut seinem Anwalt. Al Kaki ist zuversichtlich: Er habe keine Probleme, sagt er, warum sollte er nicht bleiben dürfen?

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